„Wenn das Handy krank macht“ ist der Titel eines 25-minütigen Film, den die Studentinnen Carina Bureck und Verena Ziegler von der „Bayerischen Akademie für Fernsehen“ (BAF) gedreht und bei YouTube veröffentlicht haben.

Der Film soll die jetzige Situation in der bayerischen Gemeinde Oberammergau beschreiben. Vor neun Jahren – im Sommer 2006 – hatte dort die Umrüstung einer Mobilfunkanlage auf die GSM-Erweiterung EDGE zu einer Art Massenhysterie unter den Dorfbewohnern geführt. Mehr als 150 Bewohner klagten damals plötzlich über Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Herz-Rhythmus-Störungen, die sie dem Mobilfunk zuschrieben.

 

Heute ist von der damaligen Hysterie im Ort kaum noch etwas zu spüren. So beschränkten sich die Filmemacherinnen in erster Linie auf Interviews mit einigen wenigen Personen, die von sich glauben, „elektrosensibel“ zu sein und meinen, dass elektromagnetische Felder von Funkanlagen bei ihnen gesundheitliche Beschwerden verursachen.

Dazu zählen der Ingenieur Werner Funk und seine Lebensgefährin Suzanne Sohmer. Beide hatten sich während der Arbeit beim Deutschen Wetterdienst auf dem Hohenpeißenberg kennengelernt und seien – so heißt es im Film – wegen der „extremen Strahlung dort“ elektrosensibel geworden. Bei Werner Funk habe sich dies in Form von Konzentrationsschwierigkeiten, Nervosität und „Blutdruck-Entgleisungen“ bemerkbar gemacht. Seitdem habe er „keine Nacht mehr im eigenen Haus verbracht“. Werner Funk war – neben dem evangelischen Pfarrer der Gemeinde – einer der ersten, die sich im Sommer 2006 in Oberammergau über vermeintliche gesundheitliche Beeinträchtigungen durch den umgerüsteten Mobilfunksender beklagt hatten.

Seine Lebensgefährtin gibt an, unter HF-Einwirkung lebensbedrohliche Anfälle zu erleiden. Seit sechs Jahren lebt sie in einem Wohnwagen in einem „Funkloch“ mitten im Wald. Anfangs habe sie noch für kurze Zeit in den Ort fahren können; seit einigen Jahren sei auch das nicht mehr möglich.

Ein weiterer Interviewpartner, der Regisseur Alfons Schön, der sich ebenfall als elektrosensibel bezeichnet und im benachbarten Unterammergau ein Haus besitzt, traf sich mit den Filmemacherinnen in München. Obwohl es in der Stadt viel mehr Funkmasten gibt, sei es – so heißt es im Film – dort erträglicher, „weil die Anlagen mit weniger Leistung strahlen“. Er gibt an, der auf EDGE umgerüstete Mobilfunksender habe bei ihm Schmerzen im Gesicht verursacht – sein „Trigenimus sei dauergetriggert“ gewesen. Er habe sich einen Lieferwagen umgebaut, in dem er jetzt unbeschwert schlafen könne.

Die Filmemacherinnen befragten auch Prof. Dr. Franz Adlkofer, der in Elektrosmog-Kreisen kein Unbekannter ist und im Film als „Strahlenexperte“ vorgestellt wird, der „seit Jahren zu den Auswirkungen des Mobilfunks“ forscht. Nicht erwähnt wird, dass Adlkofer einer der führenden Lobbyisten der Tabakindustrie war, die jahrelang die gesundheitlichen Risiken des Tabakrauchens verharmloste.

Auf die Frage, ob „Mobilfunkstrahlung für den Menschen gefährlich“ sei, antwortete Adlkofer, der „letzte Beweis“ sei nicht erbracht. Man könne aber behaupten, dass der heutige Wissensstand dafür spräche, dass mit dem Mobilfunk „im Augenblick das größte experimentelle Experiment der Welt“ laufe, und zwar „mit ungewissem Ausgang“.

Der Münchner Journalist und Kritiker der „Funkgegner-Szene“ Stephan Schall wirft den Filmemacherinnen vor, dass sie in ihrem Film weniger die Situation in Oberammergau dokumentieren, sondern vielmehr ihre eigene Ergriffenheit über die vermeintliche „Gefährlichkeit“ des Mobilfunks zum Ausdruck bringen. Sie hätten bevorzugt überzeugte Mobilfunkgegner wie Werner Funk und Suzanne Sohmer und erfahrene Meinungsmacher wie Prof. Adlkofer befragt. Der Film sei tendenziös und geeignet, in der Bevölkerung unberechtigte Ängste gegenüber dem Mobilfunk zu schüren.

Eine der Autorinnen des Films, Verena Ziegler, erwiderte, dass „eine Reportage grundsätzlich nicht die Aufgabe [hat], alle Interessengruppen eines Themas zu Wort kommen zu lassen, wie in einem rein objektiven Bericht, sondern sie dokumentiert – wie in diesem Fall unsere Recherchen und Gespräche mit Elektrosensiblen aus Oberammergau“. Die Autorinnen hätten sich „zu keinem Zeitpunkt ein Urteil darüber gebildet, ob Mobilfunk grundsätzlich für jeden Menschen schädlich ist oder nicht“.

Ein weiterer kritischer Kommentar von Schall, inbesondere zur Rolle des im Film interviewten Prof. Adlkofer als ehemaliger Tabak-Lobbyist, wurde von Ziegler nicht freigeschaltet. Sie begründete dies u.a. damit, dass „Tätigkeitsfelder in der Vergangenheit“ von Interviewten in der Reportage „keine Rolle“ spielen. Die Autoren des Films und auch die Bayerische Akademie für Fernsehen „möchte sich an einer Diskussion Pro wie auch Contra Mobilfunk weder beteiligen, noch ihr eine Plattform bieten.“

Die Weltgesundheitsorganisation WHO befasste sich in einem „Fact Sheet Nr. 296“ im Dezember 2005 mit dem Thema „Elektrosensibiltät“. Sie sieht darin kein „medizinisches Krankheitsbild“ – auch stehe nicht fest, ob es sich um ein „eigenständiges medizinisches Problem“ handelt. Es gebe keine wissenschaftliche Basis, um die von „Elektrosensiblen“ geschilderten Symptome mit der Einwirkung von elektromagnetischen Feldern in Verbindung zu bringen.

Gut kontrollierte und durchgeführte Doppelblindstudien hätten gezeigt, dass die von „Elektrosensiblen“ geschilderten Symptome nicht mit der Einwirkung von elektromagnetischen Felden in Zusammenhang standen.

Der besagte Film „Wenn das Handy krank macht“ kann bei YouTube unter www.youtube.com/watch?v=7g_Q8Md0wCg angesehen und kommertiert werden.

Eine Diskussion findet unter www.izgmf.de/scripts/forum/index.php?id=60645 statt.

– wolf –

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